Ausmisten

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Verstaubt und leicht außer Form: Der Pschyrembel.

Unser/ mein Bücherregal platzt aus allen Nähten. Alle, alle meine Schätze finden Platz. Hintereinander, übereinander. Kraut und Rüben im Buchregal.

Gestern packte mich der Rappel.

Mit scharfen Auge lief ich die 15 Quadratmeter Bücherwand ab. Es braucht ein scharfes Auge und einen eiskalten Killerblick: Was lese ich überhaupt. Was sind die liebsten? Wofür schäme ich mich fast schon ein bisschen? (Jawoll – das gibts auch) Und dann die Frage aller Fragen: Wofür hebe ich eigentlich  Schrottbücher auf, von denen ich weiß: Nie mehr!

Ganz oben auf dem Regal: Meine Fachliteratur von anno knips. Vergessen auf dem Regal in luftiger Höhe von 3,10 Meter . Uhaaaaaaaaaa.

Naja – was heißt vergessen – ich will ehrlich sein. Ich kann mich schlecht trennen. Hoch oben steht mein komplettes Krankenschwesternfachwissen von vor 25 Jahren. Davon trennt man sich nicht so einfach. Das wuchs einst ans Herz. Das war teuer damals. Und überhaupt: Bücher schmeißt man nicht weg. Wer was anderes behauptet, war noch nicht in meinem Elternhaus.

Aber: Rappel! Killerblick!

„Meinst du nicht, das ist ein wenig verfrüht – deine Fachliteratur nach 25 Jahren wegzuschmeißen?“, fragte mich eine Freundin? (Ich glaube sie hat gelästert! Ich verzeihe ihr. Ich bin ein großherziger Mensch.)

Rappel, Killerblick und eine Leiter – Kiste am Boden, Staubsauger im Anschlag.

Zuerst kam der Pschyrembel dran. Ich hatte die 256. Auflage.  Um so erstaunlich war ich, als ich heute Bob Andrews (Recherche und Archiv) von den drei Fragezeichen ??? spielte und feststellte: Die aktuelle Auflage ist die 261. Erst? Ich dachte, das ging schneller.

Aber bitte: wann habe ich das letzte Mal einen Psychrembel in der Hand gehabt? Heute wird gegooglet. Aus die Maus.

Und so sieht ein Pschyrembel aus, wenn er lang, lange, lange Zeit die Welt aus 3,10 Meter Höhe betrachtet:

(Gibt es eigentlich ernsthaft Menschen, die in dieser Höhe Bücher abstauben?)

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Verstaubt und leicht außer Form: Der Pschyrembel.

 

Und weil ich so schön drin war – im Killerrappelaufräummodus: Raus mit den ganzen Altlasten.

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„Ist es nicht ein bisschen verfrüht, das alles wegzuschmeißen?“

Warum hängt man so an diesem ganzen Kram? Ich hab seit der Ausbildung nie wieder in diese Bücher geschaut. Es hat also noch nicht einmal einen wirklichen ideellen Wert. Außer, dass es eben Bücher sind.

Ausmistregeln

(Für den Fall, dass ihr auch noch so Altlasten haben)

Wann hab ich es zuletzt gebraucht/ gelesen? Ach – doch schon so lange her? Raus damit!

Könntest du es vielleicht noch mal brauchen? Auch nicht? Weg!

Hängt dein Herz dran? Och….. nö! Nicht wirklich. An den Geschichten, die ich mit diesen Büchern erlebt habe. Aber die sind im Herzen. ( Seht ihr das Buch der Arzeimittellehre? Unser Dozent, ein Apotheker, trug einmal einen wunderbaren Strickkpullover mit dem Motiv einer Hexe, die in einem riesigen Kessel rührt. Das erschien uns sehr passend!. Oder Gynäkologie: Ich fange heut noch zu lachen an, wenn einer einen Satz mit einem langgezogenen “ Soooooooo“ beginnt, wie der schmucke Gyndoktor damals.)

Wo ist dein Ausmistgut aufgehoben? In 3,10 Höhe? Immer schön leicht ranzukommen, nicht wahr? Merkste gleich, wie wichtig das ist.

Ist es aktuell?  Aktuell! Witzig! 25 Jahre alte Lehrbücher. *klopft sich vor Lachen auf die Schenkel*. Das kannst du noch nicht mal den Schülern von heute andrehen. Es hat sich ja durchaus das ein oder andere in dieser Zeit verändert. Fortschritt eben.

Soll ich euch was gestehen? Es fühlt sich gut an! Ich vermisse nichts. Ich hab Platz für wunderbare, neue Bücher.

Nur – was kommt jetzt in die luftige Höhe? Ein „Stehrummchen“? Ein „Hänghinchen“? (Staubfänger zum Hinstellen oder Aufhängen. Ich habs nicht sehr damit) Bücher, die ich in drei, zehn, 25 Jahren verschenke/ verkauft/ in die Tonne klopfe?

 

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Kategorisiert in Allgemein

Von Ingeborg Wollschläger

Dreißig Jahre war ich Krankenschwester und davon über zwanzig Jahre in einer Notaufnahme beschäftigt. Im März 2020 erschien mein Buch „Die Notaufnahmeschwester - ein Alltag zwischen Leben, Tod und Wahnsinn“ im Penguin Verlag. 2018 kehrte ich der Pflege den Rücken und bin seitdem als Seniorenreferentin für die Betagten meiner Kirchengemeinde zuständig. Gepflegt wird nun nicht mehr: Jetzt wird "gehegt". In Gruppen und Kreisen, Gottesdiensten und bei jeder Menge Hausbesuchen bin ich mit den Seniorinnen und Senioren in engem Kontakt. Mit großem Interesse lausche ich dort den Geschichten der alten und manchmal auch sehr weisen Menschen. Der wahre Luxus meines derzeitigen Berufes ist, dass ich Zeit habe, mir Lebensgeschichten anzuhören. Ich darf nachfragen und bekomme fast immer Antworten. "Nebenbei" bin ich freiberufliche Journalistin für das Radio (u.a. Klassik Radio) sowie Mitglied der Redaktion des „Evangelischen Sonntagblatts aus Bayern“. Ich habe drei Söhne, einen Halbtagshund und liebe Suppe.

4 Kommentare

  1. Ah, die gelben hatte ich auch, damit hab ich 1986 fürs Examen gelernt….letztes Jahr warf ich sie schweren Herzens weg…
    Von der Juchli kann ich mich nicht trennen, aus nostalgischen Gründen….so ein altes Buch….aus den Anfangszeiten, wo man drin gestöbert hat und ganz stolz war, wenn man was ausüben konnte bzw durfte, was darin beschrieben war….Am Anfang gab es einfach noch zu wenig Literatur….jetzt gibts ja die tollsten Sachen….
    Ich staune immer, was die KP-Schüler alles anschleppen….

    Ein toller Beitrag, mir geht es ähnlich….ich glaube, ich sollte am nächsten Regentag mal ausmisten….oder doch nur entstauben?

  2. Nichts ist so heilsam wie ein ungewollter Umzug von einer 65 qm Wohnung in eim Pflegeheimzimmer *hust*. Es lebe das Zeitalter der elektronischen Medien. Da braucht man viel weniger Platz! \o/

  3. Das kommt mir sehr bekannt vor.

    Auch ich habe ALLES aufbewahrt. Auch alle Taschenbücher vom Grabbeltisch, die ich je gelesen habe. Weil: Bücher schmeisst man nicht weg.
    Irgendwann waren die regale voll, alle Ablagen waren mit Bücherstapeln dicht…
    Dann kam mein Umzug… und etwa 5 Festmeter Bücher wanderten ins Altpapier.

    Aufbewahrt habe ich nur ein paar Lieblingsbücher, an denen ich hänge.

    Ich kaufe mir NICHTS mehr… nur noch ebooks – die nehmen keinen Platz weg.

    Meine Fachbücher (Chemiestudium 1988-1995) habe ich übrigens tatsächlich noch verkaufen können. Bei amazon marketplace eingestellt – und im Laufe der letzten zwei, drei jahre ist da erstaunlich viel zu erstaunlich guten Preisen weggegangen. Kann ich nur empfehlen!

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