Das Meer erzählt Geschichten

Yeah und Yippi. Ich habe Urlaub. Und den verbringe ich am liebsten am Meer. Da laufe ich dann herum und schaue und schaue und schaue. Ich kann mich nicht sattsehen. Zwischendurch denke ich so vor mich hin. Kleine und große Gedanken, die Zeit haben und vor allem viel Raum, bedacht zu werden. Und dann fing es auf einmal an zu erzählen – das Meer.

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Das Meer erzählt Geschichten.

„Na? Da stehste und guckst“, sprach es gurgelnd. „Was machste dir das Leben  manchmal so schwer? Schau: Ich komme und gehe. Ich schwappe an Land und ziehe mich zurück. Schau genau hin. Ich bin nie gleich und doch immer das Meer. Merkste was? Hab keine Angst vor Veränderungen. Sie kommen und gehen. Sie überfluten dich manchmal. Dann ziehen sie sich zurück. Flaute. Ebbe. Nix los im Leben. Nimm es hin. Du kannst es eh nicht ändern. Alles, alles ist in Bewegung. Vertrau auf den Wandel. Sieh das große Ganze. Ich bin das Meer. Ich war vor dir da und ich werde nach dir da sein. Hab keine Angst! Auch nicht vor nassen Füßen!“

„Bei mir lernst du zu stehen. Ab Windstärke 5 musst du fest auf der Erde stehen, damit du nicht umgepustet wirst. Das erdet dich, merkste? Wa? (Fragt mich nicht – aber das Meer spricht mit einem leichten Berliner Dialekt).  Du musst aufrecht stehen, deinen Körper anspannen, um der Naturgewalt etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig schulst du deine Aufmerksamkeit, denn du musst genau hinsehen, wie meine Wellen zu dir kommen. Das bringe ich dir bei, wenn du hier stehst: Fest und doch gleichzeitig flexibel. Ist `ne Kunst. Bring ich dir bei. Bleib nur stehen.

 

„Haste einen Kumpel? Einen Kumpel zu haben ist ein großes Glück. Beieinander zu sitzen oder spazieren zu gehen. Zu zweit ist man weniger allein. Weeste – wa? Such dir deine Möwen. Such dir deinesgleichen.  Dann haste Spaß und immer was zum Plaudern. Auch zum Schweigen. Dann kann auch ein Sturm kommen oder eine Krätzmöve, die dir das Leben schwer macht und auf den Kopf kacken will. Gemeinsam seid ihr stark. Vergiss das nicht!“

 

 

„Ebbe und Flut ist etwas fantastisches. Erst siehste alles- und dann wird es gnädig überdeckt. Irgendwann kommt alles wieder hoch. Je nachdem wann du zu mir kommst.

So ist das mit den Menschen auch. Du siehst selten alles. Nur in ausgewählten Momenten. Du weißt nicht, was unter dem ewigen Merer in ihnen ist. Bei manchen Menschen kommst du nie zur Ebbe. Aber das weißte du ja bestimmt mittlerweile. Da kommste nie zur den vergammelten Polder oder wunderschöne Muscheln. Du weißt es nicht. Manchmal kannst du ahnen, was unter der Flut ist. Sei also freundlich. Das schadet nie!“

 

„Wenn du aufmerksam bist, siehst du soviel Schönes um dich herum. Überall. In der Luft, in der Weite und auf dem Boden. Vor dir und in der Ferne. Geh nur weiter und schaue. Halte Ausschau nach dem Wunderbaren. Dem Großartigen. Dem Schönen. Manchmal sind es nur kleine Augenblicke. Sei aufmerksam!“

 

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„Du hast einen Drachen dabei? Ernsthaft? Prussssssst! Menschen sind so lustig. Ich hab Möwen und Muscheln und Wellen und Gischt und du bringst einen Drachen mit? Ach so – ist so lustig. Na – meinetwegen. Haste was zum Festhalten. Und du wirst schon von Ferne erkannt werden. Das hat auch Vorteile. Du bist da – bedeutet es. Das ist eigentlich schön. Na gut. Drachen sind nicht doof.

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Sinnlose Löcher?

„Jaja. Bei mir spielt es sich hervorragend. Löcher oder Burgen – alles wunderbar. Und sei mal ehrlich: Es gibt deutlich sinnlosere Tätigkeiten in deinem Leben, als hier bei mir Löcher zu graben. Deutlich sinnlosere! Ich weiß es!“

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Holla! Eine Elfe!

„Bei mir wird jeder schön! Zerzauste Haare oder frische Wangen für  den natürlichen Look- da schminkt sich der Ein oder Andere bis in die Verzweiflung. Und wenn du zur richtigen Zeit kommst, wird aus einer „Zwölfe“ direkt auch ein „Elfe“ mit traumlangen Beinen. Gern geschehen!

„Weißte was? Komm einfach wieder vorbei. Ich lasse dich denken und träumen. Ich blubbere , säusele und schwappe für dich. Ich puste dein Hirn frei. Ich mache dich schön und lasse deine Gedanken frei. Ich bin da. Ich war da. Und ich werde da sein für dich. Es war mir ein Vergnügen!“

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Von Ingeborg Wollschläger

Dreißig Jahre war ich Krankenschwester und davon über zwanzig Jahre in einer Notaufnahme beschäftigt. Im März 2020 erschien mein Buch „Die Notaufnahmeschwester - ein Alltag zwischen Leben, Tod und Wahnsinn“ im Penguin Verlag. 2018 kehrte ich der Pflege den Rücken und bin seitdem als Seniorenreferentin für die Betagten meiner Kirchengemeinde zuständig. Gepflegt wird nun nicht mehr: Jetzt wird "gehegt". In Gruppen und Kreisen, Gottesdiensten und bei jeder Menge Hausbesuchen bin ich mit den Seniorinnen und Senioren in engem Kontakt. Mit großem Interesse lausche ich dort den Geschichten der alten und manchmal auch sehr weisen Menschen. Der wahre Luxus meines derzeitigen Berufes ist, dass ich Zeit habe, mir Lebensgeschichten anzuhören. Ich darf nachfragen und bekomme fast immer Antworten. "Nebenbei" bin ich freiberufliche Journalistin für das Radio (u.a. Klassik Radio) sowie Mitglied der Redaktion des „Evangelischen Sonntagblatts aus Bayern“. Ich habe drei Söhne, einen Halbtagshund und liebe Suppe.

11 Kommentare

  1. Mehr vom Meer! War auch dort. An Ostern 1976. Im Friesennerz kilometerlang durch den Regen der Nordsee entlang. Long, Long, ago. Dein Lieblingswassertropfenzähler

    Von meinem iPad gesendet

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  2. Was für ein wunderbarer Text. Und wie wunderbar, über den Tellerrand sehen zu können und in größeren Zusammenhängen zu denken. Leider, leider geht uns das all zu oft verloren. Dabei könnten doch gerade wir Krankeschwestern und Brüder viel erzählen. Von Ebbe und Flut in uns und den anderen. Weil wir vor der Zeit einen Blick darauf werfen können. Das ist eine Last und manchmal ein Geschenk.
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Urlaub und nimm etwas mit… ein bisschen inneres Meer. LG Gitta

  3. Ich verfolge Deine Beiträge schon einige Zeit – ob Du von wimmernden Freunden, Männerschnupfen, all den guten und schlechten Tagen, von JubelJippiehYeahStempeln oder eben dem Meer schreibst.
    Ich blickte aus dem Fenster und sah, wie es über dem Meer regnet. An einer Stelle. Nicht links, nicht rechts davon. Kann man auf dem Foto nicht gut erkennen, aber ich habe an Dich gedacht. Alles im Wandel und so.

    Oft bringen mich Deine Geschichten zum Schmunzeln. Mindestens aber zum Nachdenken. Über sich selbst, über den Standpunkt. Über die eigene Meinung, die eigene Wahrnehmung.

    Aus Deinen Texten ziehe ich Kraft – vielleicht kann ich Dir ja ein Stück davon zurück geben mit diesem Bild.
    (https://nebucadneezah.wordpress.com/?p=159&preview=true&frame-nonce=d04edf4866&iframe=true)

  4. Mit den Worten führe ich so eine Art On-Off Beziehung, es ist kompliziert, anstrengend und führt manchmal dazu, dass ich weder selbst schreiben noch die Schreibe anderer mag. Dann nehme ich ein Bad im Meer deiner Worte und bin so hach, auch weil es mich an meine eigene lebenslängliche Liebesaffäre mit dem Wind erinnert. Vielleicht sollte ich mal darüber schreiben. Danke dir ganz <3 fürs Teilen.

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